Kreuzfahrer

Zur fragwürdigen Rettung der Kreuzfahrt- und Kriegsschiffs-Werft Meyer eine kleine Anekdote aus dem Urlaub in Rostock diesen Juli: Es ist ein Sonntag am späten Vormittag. 30 °C und strahlender Sonnenschein. Die S-Bahn zum Strandbad Warnemünde, das wir am zweiten Tag erstmals besuchen, ist übervoll. Teilweise müssen Leute am Bahnsteig auf die nächste warten. In den Türbereichen: Boomerpaare mit riesigen, ja hüfthohen Kofferungetümen. Dass Leute an den S-Bahnhöfen aus- und einsteigen wollen, interessiert sie kaum. Sie stehen an ihren Plätzen, als gehörten sie ihnen wie daheim die Eigenheimgrundstücke. Und schauen recht verärgert drein ob des Pöbels, der ja unbedingt auch noch in ihren Zug müsse und nicht auf den nächsten warten könne. Am fürchterlichsten: Einer mit Rollator, der auf einem Klappsitz neben dem Klo sitzt, muss zwischendurch aussteigen. Sein Rollator muss von Fahrgäst*innen teilweise über die Menge gehoben werden. Statt dass die Gepäckboomer wie Zivilisierte kurz auf den Bahnsteig treten, alle aussteigen lassen und dann selber wieder einsteigen. »Mei, vielleicht sind aufm Weg nach Warnemünde ihre Hotels, wo sie einchecken«, denke ich, und an jeder Station, dass sie vielleicht die nächste raus müssen. Bis wir am vorletzten Stopp vor der Endhaltestelle, Warnemünde, riesige – dieses Epitheton ornans braucht’s eigentlich nicht – Kreuzfahrtschiffe durch ein Sieb drücken, Quatsch: passieren. Denn Warnemünde ist, wie ich sehe, nicht nur ein ordinärer Hafen, sondern auch ein Kreuzfahrthafen. »Ach, klar, die Gangblockierer mit den Riesengepäcken sind Kreuzfahrer*innen!« Dass diesen Leuten ihre Umwelt wurscht ist, ist schon an ihrem grausligen Bahnfahrverhalten abzulesen. Aber man soll sich womöglich noch dafür bedanken, dass sie für den Transport zu ihrem Unweltwahnsinn kein Taxi nehmen.

Air Raid

28.06.2021 • Die Angst, dass während dem Spazierengehen mit dem Baby der Große Vogel Greif kommt und es aus dem Kinderwagen in alle Lüfte entführt – das hättet ihr auch nicht geglaubt, dass die im 21. Jahrhundert noch jemand hat, was 😃

27.07.2024 • Auf der Strandpromenade von Warnemünde hat mir gerade ein Trupp aus drei Möwen mein dänisches Softeis mit Schokoüberzug geklaut, ohne dass ich mehr als einen Achtel Flügelschlag gespürt hätte. Die Angst vor dem Großen Vogel Greif, sie ist sofort wieder da.

Cradle

Weil ich mit dem Wort cradle erstmals in der 5. Klasse und auch lange danach nur in Form des Bandnamens Cradle of Filth in Kontakt kam, hat dieses englische Wort für Wiege bis heute für mich NULL positive Konnotationen. Ich verbinde damit ausschließlich inhumanes Gekeife, Tod, Blut, Satan, Verderben et cetera.

Nachdem ich in der Grundschule am liebsten Pop- und Rapmusik gehört hatte, favorisierte ich nach dem Übertritt auf die Hauptschule Crossover, also das Crossover aus Rap und Metal, wie es beispielsweise Clawfinger anboten. Ein Mitschüler aus der 7. Klasse führte uns Buben, die wir auch Zeuch wie Rammstein gernhatten, an härtere Sachen heran. Er hörte schon Black und Death Metal.

Das Inlay einer Kassettenhülle, auf die er uns Death Metal mir unbekannten Ursprungs überspielt hatte, beschriftete ich mit – worüber er sehr lachen musste – »Desk Metal«, weil ich einerseits noch fast kein Englisch konnte und er die Genrebezeichnung andererseits freilich mehr wie Dess Mettl aussprach. Auf der Kassette befand sich aber, da bin ich mir heute recht sicher, wohl eher Black statt Death Metal. Und mir scheint, es müsste sich um Cradle of Filth gehandelt haben.

Im Kinderzimmer legte ich die Kassette ein und drehte auf, aber dann gleich wieder leise, denn ich hatte Angst, meine Eltern könnten mich mit diesem Teufelszeug erwischen. Und vor dem Teufelszeug selbst war mir auch angst. Wer auch immer da so unmenschlich kreischte und keifte, war für mich so real total-maliziös, wie es Horrorgestalten für Kinder eben sind, wenn der Unterschied zwischen Figur und Darsteller*in noch unbekannt ist.

Ein als mystisch-böse wahrgenommener 18jähriger Langhaariger aus einem der Bauerndörfer des Hauptschuleinzugsgebiets hatte sogar einen Dimmu-Borgir-Heckscheibenaufkleber! Sechstklässlergeschichten, er feiere nachts schwarze Messen an Kirchenaltären und auf Friedhöfen, glaubte ich freiweg.

Was gäbe ich dafür, zu wissen, was auf der Kassette drauf war, und es noch mal hören zu können!

Reklameohrwurm

Samstag, 17. Februar 2024, 15:23 Uhr: Beladen mit drei Restmüll-, einer Biomüll- und einer Gelber-Sack-Tüte sowie etwas Altpapier in einer Pappschachtel winde ich mich durch die Wohnungstür und in den Fahrstuhl. Was singt mir Kind der 90er dabei natürlich durch die Ohren?

🗣️ 🎶 Vollbepackt mit tollen Sachen, / die das Leben schöner machen, / hinein ins Weekend-Feeling! // Mit Zott-Sahnejoghurt, / sahnig, fruchtig, frisch und dann / hinein ins Weekend-Feeling! // Mmmh lass Dich mal geh’n, / schalt’ einfach ab, / erleb‘ den sahnigen Geschmack! // Mit Zott ins Weekend-Feeling! 🎶
(Sollte es wirklich jemand nicht kennen: Youtube)

Da sage noch eine*r, das Fernsehen hätte uns¹ nicht ruiniert!

Komplett ramponiert mich die Internetseite musikguru.de, auf die ich stoße, weil ich den Werbesongtext nicht eintippen, sondern copy/pasten will. Die Seite zum Zottsong enthält zusätzlich zum Songtext eine Infosektion »Worum geht’s in dem Song?« mit einer fünfpunktigen Übersicht »☝️ Das Wichtigste in Kürze« und, um mich ist’s nach der Lektüre geschehen, einer »Interpretation«, in der einfach die fünf Stichpunkte noch mal in einem ausformulierten Text präsentiert werden. Freilich wird da aber nicht unautorisierterweise irgendwas daherbehauptet und für ewige Wahrheit ausgegeben, nein, das ganze ist:

Da sage noch eine*r, das Internet würde nicht von lauter Ruinierten gemacht!

¹ mich

Ihre Paketzustellung wurde aktualisiert

Bei einem Fahrradhersteller bestelle ich einen Fahrradständer. Der Fahrradhersteller versendet den Ständer mit FedEx. Im Laufe des Zustellungsprozesses bekomme ich 15,  f ü n f z e h n ! , E-Mails und zwei SMS über Zustellungsstatusänderungen. Sechs E-Mails vom Fahrradhersteller und ganze  n e u n  E-Mails plus zwei SMS von FedEx. Unaufgeforderte SMS von Versanddienstleistern ignoriere ich grundsätzlich als potenzielle Scams, eine davon enthielt sogar einen Link, auf den ich klicken sollte, hahaha.

Die Betreffs der E-Mails in chronologischer Reihenfolge:

  • Fahrradhersteller, 05.02., 10:16 Uhr: Bestellbestätigung
  • Fahrradhersteller, 05.02., 16:15 Uhr: Deine Bestellbestätigung ist unterwegs zu dir
  • FedEx, 05.02., 19:33 Uhr: FedEx Express hat heute ein Paket abgeholt
  • FedEx, 05.02., 19:46 Uhr (auf 19:33 folgend wäre 19:45 lustig gewesen): Ihre Paketzustellung wurde aktualisiert [mir wurscht?]
  • Fahrradhersteller, 05.02., 20:17 Uhr: Dein Paket ist unterwegs! [ach ja?]
  • Fahrradhersteller, 05.02., 22:01 Uhr: Rechnung
  • FedEx, 06.02., 00:38 Uhr: Ihre Paketzustellung wurde aktualisiert [??]
  • FedEx, 06.02., 07:27 Uhr: Ihre Paketzustellung wurde aktualisiert [?????]
  • FedEx, 06.02., 07:53 Uhr: Ihr Paket wird voraussichtlich morgen zugestellt
  • FedEx, 07.02., 07:41 Uhr: Ihr Paket wird heute zugestellt
  • FedEx, 07.02., 07:42 Uhr: Ihr Paket wird voraussichtlich heute zugestellt
  • Fahrradhersteller, 07.02., 07:55 Uhr: Dein Paket befindet sich in der Zustellung [ach was]
  • FedEx, 07.02., 13:44 Uhr: Ihre Sendung konnte nicht zugestellt werden [nicht da gewesen]
  • Fahrradhersteller, 07.02., 13:45 Uhr: Dein Paket ist angekommen
  • FedEx, 07.02., 22:03 Uhr: FedEx Sendung Zugestellt [um 13:40 Uhr beim Nachbarn abgegeben]

Ja, spinnt’s ihr denn?


Der WordPress-AI-Assistant, der eigentlich meinen Beitrag beurteilen und Verbesserungen vorschlagen soll, ist von diesem Quatsch auch völlig in Beschlag genommen und gibt statt einer Beitragsbeurteilung lieber Tipps für FedEx und den Fahrradhersteller ab:

Den Seinen nimmt’s der Herr im Schlaf

In dem niederbayerischen Dorf, in dem ich aufwuchs, entschied sich einer, gut anderthalb Jahrzehnte älter als ich, gleich nach dem Abitur für den Eintritt in einen katholischen Orden und ließ sich mit allem Pipapo zum Priester ausbilden. Als ich anderthalb Jahrzehnte alt war, kehrte er kurz ins Dorf zurück und feierte seine Primiz, die erste von einem römisch-katholischen Priester als Hauptzelebrant gefeierte heilige Messe. Ein Mordsbrimborium war das, ein Dorffest sondergleichen, fürs leibliche Wohl nach der Messe fürs Seelenheil war u. a. mit Würschteln vom Grill und Bier vom Fass bzw. Spezi und/oder Limo für die Kleinen gesorgt. Statt gewöhnlicher Pfarrer mit eigener Gemeinde zu werden, schlug er die Wissenschaftslaufbahn ein und bekleidet heute einen theologischen Lehrstuhl.

Woran ich mich erinnere: An einem Abend im Sportheim des örtlichen Vereins, in dem ich anderthalb Jahrzehnte Fußball spielte, unterhielten sich zwei über den damals noch Pater gewesenen Herren. Der eine davon war der Schwager des Paters (Pfarrersschwestern dürfen ja heiraten etc.) und Mittelfeldregisseur, der vor seinen Jahren beim Heimatverein in der drittuntersten Liga mal Landesliga-Recke gewesen war (in der immerhin sechsthöchsten Spielklassenebene!), der andere ein normaler Fußballer, wie ich, der dem Gespräch zuhörend beiwohnte.

Der Normale, ein raubeiniger rechter Verteidiger und Teil des Abwehrbollwerks der Ersten Herrenmannschaft, interessierte sich freilich irgendwann bzw. alsbald für die sexualen Aspekte des priesterlichen, genauer: des Lebens des in Rede stehenden Paters, und erhoffte sich schwägerliche Information oder immerhin biergeschwängerte Lacher. Personen mit Hoden produzieren bekanntlich ab der Geschlechtsreife in einer Tour Sperma, das irgendwann irgendwohin, jedenfalls exkorporiert werden muss.

Jetzt ist zölibatär lebenden Menschen neben der Ehe auch die geschlechtliche Betätigung untersagt, worunter, der Dorfvereinsmeinung nach jedenfalls, ebenfalls die Selbstbefriedigung fällt. Wie begegnet aber der Zölibatäre dem Problem, das sein Leib auf die Verpflichtung seiner Seele pfeift und perpetuierlich Spermatogenese, i. e. fortwährende Samenproduktion, betreibt?, begehrte also der Normale schmunzelnd zu wissen. »Mei, im Schlaf wird’s es ihm schon raushauen!«, sah sich der Schwager gezwungen, jovial zu spekulieren, weil er über die unterhöslichen Zustände seines ordinierten Schwähers freilich kaum Bescheid wusste.

Nr. 5 hat auch eine Macke

Nachdem ich mein aktuelles Smartphone, Nr. 5, bereits mehrfach gebührend gelobt habe (vgl. Nr. 5 ist da!, Nr. 5 gewöhnt sich ein! und Abermals Smartphone) und erst einen Tadel aussprechen musste (vgl. Jetzt schlägt’s 25, Nr. 5!), sehe ich mich zu einem erneuten Rüffel gezwungen: Und zwar hat das Gerät eine schwachsinnige Macke, über die ich nicht anders denken kann als: »Wer denkt sich denn sowas aus?!?! Das ist doch genau andersrum, als eins’s bräuchte!!«

Es geht um die Vibrationsfunktion. Ist das Gerät im Signaltonmodus, vibriert es bei eingehenden Anrufen oder Nachrichten ordentlich, so dass ich es in körpernahen Taschen auch spüren kann. Die Vibration ist dabei dem Anruf- bzw. Nachrichtenton angepasst, beim Bimm-Bamm von Nachrichten etwa vibriert es entsprechend zweimal. Ist das Gerät allerdings auf Vibration geschaltet, vibriert es bei Anrufen merklich schwächer als im Signaltonmodus und bei Nachrichten, das regt mich wirklich auf, macht es nur ein einziges mal kaum spürbar [br]. Dabei müsste es doch gerade im Vibrationsmodus vibrieren, so dass ich es auch merke. Und warum vibriert es nicht einfach so wie im Signaltonmodus analog zu den Signaltönen? Wer denkt sich denn sowas aus?!?! Das ist doch genau andersrum, als eins’s bräuchte!!

Was mir übrigens im Studium immer auf die Nerven ging, war, wenn in der Universitätsbibliothek Leute ihre Smartphones zwar stumm, aber bloß auf Vibration geschaltet haben, und alle Umsitzenden, ach was: der ganze Saal jede einzelne eindonnernde Nachricht mitbekam und dann schreiben heutzutage ja alle ohne Absatz mit Enter = Senden und statt dass sie mehrsätzige Nachrichten mit Punkten und Kommas schreiben hauen sie nach jeweils drei bis vier Wörtern auf Enter = Senden und die Empfänger*innensmartphones stehen nicht mehr still aber halt ich werde kulturkonservativ, also Stopp.

Was ich übrigens extrem albern finde und mir eingefallen ist, als ich oben »Rüffel« geschrieben hatte: Am ersten Tag meiner Berufsausbildung, ich war ein Bub von 16 Jahren, kam der Firmenchef und Chefausbilder, nachdem er mich kurz hatte warten lassen, zu mir, um mich irgendwo einzuweisen, und entschuldigte sich fürs Warten lassen damit: »Ich habe dem Herrn U. noch einen Rüffel erteilen müssen.« Mit Verlaub, aber als Niederbairisch sprechender Handwerksmeister im ländlichen Niederbayern spricht man nicht so.

Traumbefehl

Heute Nacht träumte mir, ich postete gegen 7:35 Uhr bei Facebook: »Na, habt ihr heute schon eure Dues gepayed?«, wie in Anastacias ›Paid My Dues‹ (2001) oder Kool Savas’ ›Optik Anthem‹ (2002). Keine Ahnung, warum ich von über 20 Jahre alten Songfragmenten träume. Ganz besonders ungern ergänze ich, dass ich im Traumtexteingabefeld extra von »gepaid« zu »gepayed» korrigierte, um, auch wenn beides Quatsch ist, irgendwelchen Orthografiewächtern auf die Nerven zu gehen. Doch weil mein Traum-Ich das wollte, postete ich es, obwohl ich auf Social Media sonst nix mehr mache, im RL bei Facebook:

Na, habt ihr heute schon eure Dues gepayed?

Nachhaltige Kamille

Ein Freund aus der Jugend erzählte mal, er habe auf einer Baustelle von einer herumliegenden Silikonspritze probiert. Es habe nicht nur fürchterlich geschmeckt, sondern dieser Geschmack für einige Zeit seinen Mund nicht verlassen. Der Freund hatte eine nachhaltige Ekelerfahrung.

Und dann sehe ich im Teefach, dass die Marke Cupper allen Ernstes folgende Geschmacksrichtung anbietet:

Nein, danke! Wenn ich Kamillentee trinke, braucht der Kamillengeschmack keineswegs nachhaltig zu sein, sondern darf sich gerne alsbald wieder verziehen. Und beim Untertitel »Medley aus Kamilleblüten« kommt mir sogar – entschuldigt die harsche Ausdrucksweise: das Kotzen. Einerseits freilich, weil er gar so dumm ist. Andererseits aber, weil ich beim Wort Medley sofort an die scheußliche Band Simply Red mit ihren scheußesscheußlichen Medleys, die ich beim familialen Kucken von Wetten, dass..? bei mindestens jeder zweiten Folge über mich ergehen lassen musste, denken muss. Und wetten, dass die korrekte Schreibung Wetten, dass …? wäre?

Warum? Darum!

Vor langer Zeit sah ich eine Infotainment-Sendung, vielleicht Galileo, in der folgende Zuschauerfrage ›beantwortet‹ wurde: »Warum läuft bei Rolltreppen das Handlaufband oft schneller als die Stufen?« Denn die Person hatte bemerkt, dass ihr ihre Hand auf Fahrtreppen oft davongefahren war. Zeigte die Infotainment-Sendung also einen Beitrag, in dem Aufbau und Funktionsweise einer Fahrtreppe erklärt wurde. Gekrönt von der Info, dass laut irgendeiner Fahrtreppenverordnung Handlaufbänder soundsoviel Prozent schneller als die Fahrstufen sein dürften. »Zack, Frage beantwortet!«, dachte sich die Sendung und infotainte fröhlich mit irgend was anderem weiter. Bestimmt war die Frageperson ebenso erbost wie ich (bis heute!). Denn: Was sollte denn das? Eine Frage nach einem Warum einfach abschlagen mit der Feststellung, dass das halt so sein dürfe? Infotainment-Sendungen war fei auch damals schon keine Politikpressekonferenzen!