Zwischenbericht zum 900.

Vorgestern erschien der 900. Beitrag dieses Blogs – und damit fast genau fünf Jahre, nachdem der Salon du Fromage am 02.03.2016 mit dem Text »Tradition vs. Energybrause« (notabene aufgewärmt aus 2014) gelauncht worden war. Die durchschnittliche Veröffentlichungsfrequenz von einem Beitrag alle zwei Tage stellt mich durchaus zufrieden.

Wobei Blog für diesen Blog nach wie vor die falsche Bezeichnung ist. Ich führe hier ja weder Onlinetagebuch, noch berichte ich von Reisen, Trips oder kürzlich gekochtem Essen, noch rezensiere ich, wie es ein vitaler Teil der (*brrrr*) Blogosphäre tut, Bücher. Vielmehr ist der Salon du Fromage eine Art fortlaufendes Archiv meiner komischen Beiträge in den diversen Social Media – schon weil deren Suchfunktionen so elendig schlecht sind und Texte sonst zu verschwinden drohten.

Als Seitendesign verwende ich nach wie vor das voreingestellte Standard-Theme »Penscratch«. Das ist zwar pretty low-key. Aber die allermeisten WordPress-Benutzer*innen schrauben doch, bevor sie irgend einen Content uppen, als erstes am Design herum like it’s 2004. Da sieht’s hier schon anders aus.

Meine größten Hits?
Der Schnipsel »Bereit, wenn Sie es sind!«, zu dem Leute nach (was sie sehr häufig tun) Internetsuche dieses Zitats gelangen; der mit einer kleinen Anekdote versehene Mahlzeitwunsch Guten Appo!, für den ebenfalls oft Suchmaschinen bemüht werden; die kleinen Kampagnenkritiken Dies ist nicht Thorsten Brehm und Zusammenhalt, die anlässlich von Wahlplakaten eines schließlich nicht in die Oberbürgermeisterstube gewählten Nürnberger SPD-Mannes entstanden; sowie die Fotografie eines musealisierten Werbeplakats des Fahrradherstellers Wartburg-Rad: HURRAH, ja,.

Bemerkenswerteste Begebenheiten in diesen fünf Jahren: (1) Ein zufällig über den Beitrag Jens Mander gestolperter Leser informiert mich per E-Mail liebenswürdigerweise, der in dem Text verhandelte Beispielname der Windows-Installationsroutine, Jens Mander, sei begründet in der ebenfalls angegebenen Beispiel-E-Mailadresse jemand@microsoft.com. Ich hätte Jeslie Mandoki genommen. (2) Ein Typ echauffiert sich per E-Mail darüber, dass man unter meinen Beiträgen nicht kommentieren kann. Er hat nämlich ordentlich Bedarf, etwas richtigzustellen: In Misbehavin’ Chippendales würde ich nämlich ein Chippendales-Werbeplakat völlig verkehrt interpretieren! Nicht, wie ich es verdreht hätte, die Chippendales sollten sich misbehaven – sondern ja wohl die Frauen, denen diese Reklame zugedacht ist! Ich habe ehrlich gesagt gar nicht geantwortet, weil ich, wo es geht, Reklamen gegen den Strich lese, wie ich es will. Amüsiert hat mich, und darum erwähne ich diese Geschichte, dass ich die von mir unerwiderte Klage im einen oder anderen Kommentarbereich anderer WordPress-Blogs herumposaunt wiederfand. Na hoffentlich hat da jemand zugestimmt. (3) Der Besitzer eines Ladens, über dessen Firmenschild ich mich witzig gemacht hatte, forderte mich per Facebookkommentar auf, ihm € 80,- für die unerlaubte Veröffentlichung seines Schildes zu bezahlen. Was willkürlich ausgedacht klang und ich natürlich nicht machte. Sondern eine befreundete Juristin fragte, die mich versicherte, an solchen öffentlichen Bildinhalten gäbe es keine Rechte, solange, wenn ich mich richtig erinnere, keine Rechte am eigenen Bild geltend gemacht werden könnten. Erleichtert schloss ich daraufhin sicherheitshalber eine Rechtsschutzversicherung ab.

Mr. Oberschlaus Oberstufenprahlerei

Hat sich schon irgendein Schlauberger darüber mokiert, dass der Ausdruck »steigende Fallzahlen« bei Lichte besehen ein Oxymoron ist.


Und übrigens: Barbar, wer bei »steigende Fallzahlen« nicht an Schillers poetologisches Distichon »Das Distichon« denken muss: »Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule, / im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab.« (Musen-Almanach für das Jahr 1797)

Suhrkamp Verlag!

Ich will Schmerzensgeld, Suhrkamp Verlag!

Als ob Walter Benjamins Dissertation »Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik« leicht zu verstehen wäre – Deine Werkausgabe bringt mich an den Rand der Zerebralexplosion, indem Du in ihr die Reihenfolge zweier Zeilen vertauschst und damit einen Nebensatz von vorne bis hinten ungrammatisch machst:

Der Vertauschpfeil markiert die vertauschten Zeilen. Das Fragezeichen mein Verständnisproblem.

Bevor mir das Hirn vollends zerstob und ich alle Zweifel an meiner Lesefähigkeit einzuräumen willens war, suchte ich nach einer anderen Ausgabe und fand sie im Digitalisat der Erstpublikation von 1920, wo Wort für Wort aneinandergereiht ist wie vom Verfasser vorgesehen und von den Leser*innen benötigt.

Ich erinnere mich, diesem Fauxpas – oder vielmehr dieser neckisch gedachten Schelmerei? – in einem Deiner Topprodukte schon einmal begegnet zu sein; bloß nicht mehr, wo.

Suhrkamp Verlag! Beim dritten Mal komme ich vorbei und verdrechsle Soll und Haben.


Textausschnitt: Benjamin, Walter: Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik, in: ders.: Gesammelte Schriften, Band I.1, Abhandlungen, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1980 [1974], S. 7122, hier S. 67.