Dies ist nicht Thorsten Brehm

»Ich bin Thorsten Brehm weil mir die Zeit für Behördengänge fehlt und ich lieber per Mausklick Dinge erledige.«

Hä?, dachte ich im Vorbeigehen, wo ist denn da die Kausalität, die das »weil« anzeigt? Ist er nicht sehr viel wahrscheinlicher Thorsten Brehm, weil jemand ihn so nannte oder er sich den Nachnamen evtl. erheiratete?

Eine Internetrecherche und 10 Minuten später weiß ich: Der Typ auf dem Plakat ist gar nicht wirklich Thorsten Brehm, sondern Abziehbild junger urbaner, mit allem einverstandener und wertvoller Kreativität. Thorsten Brehm ist er nur im Sinne von »je suis Thorsten Brehm«, und zwar in einem recht verzerrenden Sinne davon.

Der echte Thorsten Brehm sieht laut spd-nuernberg.de ganz anders aus, bartlos, schon recht haarlos und eher eierköpfig mit Balkenbrille. Er ist Nürnberger Stadtrat, SPD-Ortsvorsitzender und Oberbürgermeisterkandidat 2020. Was mich erstaunt: Obwohl er zehn, zwölf Jahre älter wirkt als ich, wurde er nur zwei Jahre vor mir geboren. Wie SMV-, Juso- und SPD-Mitgliedschaft im Verein mit dem Studium der Sozialwissenschaften und dem ab-und-annigen Schwingen des Badmintonschlägers einen also zurichten, es tut mir leid. Ihm ist das offenbar bewusst, und so lässt er sich nicht nur lieber auf dem Plakatmotiv vertreten, sondern zeigt sich auf seiner Kampagnenwebsite erst nach ein paar Dezimetern Gescrolle unter allerhand anderen Kampagnen-»Gesichtern«.

Das »weil« drängt die Frage auf: Sitzen in den Parteiwerbeagenturen seit neuestem Leute herum, die Sachen sagen wie: »Hey Leute, lasst uns doch in den nächsten Kampagnen mal ein wenig mit der Logik spielen! Damit können wir die target people auch mal krass herausfordern und zum Recherchieren bringen!«? Der »weil«-Schmarrn auf diesem Plakat steht ja beileibe nicht alleine da. Die Grünen etwa verstiegen sich zur EU-Wahl reflexionslogisch zu »Europa. Die beste Idee, die Europa je hatte« und die FDP widersprach sich selbst mit: »Weil wir Europa lieben, wollen wir es verändern.«

Warum solcher Quatsch dieses Jahr so massiert daherkommt und warum die SPD neun Monate (!) vor der Wahl ihren OB-Kandidaten in von vorne bis hinten unverständlicher Weise »bewirbt«, ich weiß es nicht. Was ich weiß: (1) »Je suis [irgendwas/-wer]« bedeutet uneigentliche Identifikation als Ausdruck von Anteilnahme/Mitgefühl, keinen schnöd reklamösen Allgemeinsupport; (2) es müsste »weil … ich Dinge lieber per Mausklick erledige« heißen; (3) niemand sollte die SPD weil

Klima»wandel«? Klimakatastrophe!

»Global heating« statt »global warming«, »climate emergency, crisis or breakdown« statt »climate change« – der britische Guardian empfiehlt seinen Journalist*innen in seinem »house style guide« seit kurzem adäquatere Ausdrücke für die Klimakatastrophe (Artikel: Why the Guardian is changing the language it uses about the environment).

Mit diesen Alternativausdrücken zu »Klimawandel« könnt’s aber auch bei hiesigen Lärm- und Krawallmedien wie Spiegel Online klappen:
– Klimapokalypse
– Klimagate
– Klim-Krieg (?)
– Klimargeddon (Bibel und Hollywood!)
– Klimaterloo
– Klimhavarie (mit stummem h aber = schwierig)
– Klima-Kill
– Klima-Koller
– Zum-Kotz-Klima
– Klima-Kacke
– Kill-Klima
– Klimaquark (es ist doch eh schon alles wurscht)
– Klimbumm (hä?)
– Hitlerklima

Spam-Mails

19.03.2019 – Leute sollen mir für ihre Vorträge bei einer Veranstaltung Dateien zuschicken. Damit ich sie auf eine Plattform uppen kann. Einige davon erreichen mich nicht. Ich frage nach. Sie schauen. Was mit den Mails passiert ist. Und da schau her. Im Spam-Ordner sind Benachrichtigungen. Die Mails konnten nicht zugestellt werden; im S p a m – Ordner.

Email-Anbieter von teilweise Weltrang hauen ihren Nutzer*innen solche Benachrichtigungen in den Spam-Ordner. Kein Mensch kriegt was davon mit. Kein Mensch kann etwas davon mitkriegen. Daher Nachfragen. Antworten. Suchereien. Ah jetzt. Nochmal. Hier bitte. Ja danke. Jetzt ist es da.

Es ist doch alles zum Verzweifeln vernagelt und brunzdumm schon auch.

Komikkritik: Gedichtetag auf der taz-Wahrheit

Der wöchentlich wiederkehrende Ankündigungstext der Gedichte-Rubrik der taz-Wahrheit lautet: »Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Die Leserschaft darf sich an einem Poem über … erfreuen.« Aber was soll das?, nur weil Gedichte mancherorts den Ruf der angestaubten Form haben mögen – im Deutschunterricht werde man dahingehend eh bloß mit über hundert Jahre altem Zeug gequält, wen interessiere dieses Schnarchzeug –, braucht man doch nicht so altertümelnd daherzuschreiben. Warum nicht gleich: »Die Recipienten dürffen sih an Poeterey über … erfrewen«?
Über die veröffentlichten Gedichte nichts.

Kreisverkehre

Der mit Abstand allergrößte Schmarrn sind doch Kreisverkehre mit Rechts-vor-links-Regelung. Es wundert mich jedes Mal aufs Neue, dass auf deren Inseln nicht stapelweise Autowracks von Vorfahrtsmissachtungsunfällen rumliegen, die teilweise noch rauchen bzw. gerade am explodieren sind und mitunter auch Personen beinhalten, weil die Rettung einfach nicht hinterherkommt. Statt dessen tun alle so, als seien Rechts-vor-links-Kreisverkehre das Normalste von der Welt und es funktioniert unverständlicherweise praktisch  r e i b u n g s l o s . Wem da die Vorfahrt genommen wird, merkt es in den meisten Fällen wohl nicht mal.

Dabei wäre es kinderleicht. Auf allen Kreisverkehren sollte gelten: »Wer auf der Kreisverkehrsfahrbahn ist: fahri-fahri, alle anderen: warti-warti.« Aber dann kommen wieder der ADAC und andere Schlauberger und rufen: »Gleichmacherei! Sozialismus! Gesunder Menschenverstand! Feurio!«

Naja, mir kann’s im Grunde wurscht sein, denn ich weiß in der ganzen Metropolregion Nürnberg-Fürth-Erlangen nur von einem einzigen Rechts-vor-links-Kreisverkehr (den am nach dem letzten Erlanger Nazi-Statthalter benannten Lorlebergplatz, Erlangen). Aber so kann’s ja wohl trotzdem nicht zugehen!!

#TohuwabohuDeutschland

Doku-Kritik: »Doomsday Preppers« (National Geographic)

Bereits die ersten Prepper/innen in der allerersten Folge lassen mich ratlos zurück: Es heißt, sie bereiteten sich darauf vor, dass sich die Magnetpole der Erde umkehren – der Nord- wird zum Südpol und umgekehrt. Was, wie Herr Prep »believes«, Folgen zwischen schweren Erdbeben und Verschiebungen ganzer Kontinente zur Folge haben könne. Statistisch passiere es alle 400.000 Jahre und gegenwärtig seien wir schon ein ganzes Stück »drüber« (300.000 Jahre, wenn ich mich recht erinnere). Also lege Frau Prep mit ihrem Mann in Texas ein kleines (schusssicheres!) Reservat aus Überseecontainern an, in dem sie wohl 15–20 Jahre überleben können. 50 Stunden pro Woche verwendeten sie auf Essen Einkochen, Schießübungen, Austüfteln von Energieversorgungseinrichtungen (Wind, Sonne, Scheiße) etc.

Eine junge Frau von Mitte 20 aus Houston glaubt, in ihrem Leben komme es mal zum Zusammenbruch der Ölversorgung. Sie nennt es (bestimmt 13 Mal in ihren 15 Minuten): »When the shit hits the fan.« Daher halte sie in ihrer leider nur 56 m² großen Wohnung Nahrung, Wasser etc. für den Ernstfall vor, hauptsächlich allerdings einen gepackten Notfallrucksack, um zum Vehikel am unbekannten Ort außerhalb der Stadt zu wandern, »and then I go to Mexico«. Wenn die Ölversorgung erlegen sei, herrsche in der Stadt Chaos, Raub und Totschlag – »but I’m a machine«: vier Stunden pro Tag trainiere sie, sechsmal die Woche.

Was auffällt: die Alle-gegen-alle-Mentalität der gezeigten Prepper*innen. Sie wirken wie vollständig atomisierte Individuen einer Gesellschaft, die für sie schon pre-doomsday gar keine mehr ist. Wichtiges Prepping-Element: irrsinnig viele Waffen mit entsprechender Munition; die anderen sind stets und bloß Feinde, das eigene Überleben will rücksichts- und erbarmungslos geschützt werden. Mit einem apokalypseartigen Zusammenbrechen der kompletten Infrastruktur scheint für sie zugleich die Zivilisation aufgehoben zu sein. Man ist in ihren Augen dann offenbar nicht mehr Individuum, sondern nur noch Exemplar einer Gattung.

Dass Katastrophenszenarien eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sind, bei denen es gilt, möglichst vielen Menschen das Über- und Weiterleben zu ermöglichen, spielt für sie keine Rolle. Präjudizierte Asozialität bestimmt ihre Vorbereitungen; um nicht zu sagen: in die Zukunft projizierte.

____
Was ich mich beim Schauen fragte: Wie schaffen es Leute, in einer Tour Dokus anzuschauen? Klar, im Falle einer apokalyptischen (Natur-)Katastrophe würde ich, auf mich allein gestellt, aufgrund meiner durch-und-durch-zivilisierten Unbeholfenheit wohl keine drei Tage überleben. Beim Schauen solcher Dokus allerdings stürbe ich schon nach drei Stunden. Die sensationalisierenden, gar alarmistischen, aber ruhig und mit fester Stimme vorgetragenen Kommentare aus dem Off, die schnellen Schnitte, die teilweise willkürlichen illustrativen Bilder (in diesem Falle: beliebige Riots und das ein oder andere katastrophale Naturereignis), der leicht erkenn- und durchschaubare dramaturgische Aufbau, und über allem thronend das Bewusstsein darüber, praktisch alles Gezeigte unterliege einer gewissen Gemachtheit und der Ausdruck »Reality TV« lüge höchstens bei den Candid shots im Hintergrund nicht – das ist zu viel für mich.

Nach diesen 45 Minuten würde ich nicht behaupten, etwas über Prepper*innen zu wissen; höchstens etwas über die Sendung »Doomsday Preppers«.

Alumnus/-a

Leute mit nachweislichen Lateinkenntnissen, die nach was weiß ich für einem Abschluss sagen »Ich bin eine Alumni/ein Alumni von da und dort«, sollten sofort wieder in der Grundschule anfangen müssen, aber nicht über Los gehen und keine 4000 Mark einziehen dürfen. Und dann werden vier Jahre später wieder Vokabeln und Deklinationen gepaukt. Weil so geht’s ja nun auch wieder nicht, zefix!

Anmerkung: Es wurde moniert, dieses Wort solle auch richtig dekliniert nicht verwendet werden. D’accord!