»Erheben Sie doch Ihren Hintern!«

Kürzlich las ich bei Torsten G. auf Kybersetzung Folgendes in einem Text über Anachronismen eines Buchpreis-Longlist-Romans: »Es sind gar nicht mal sprachliche Anachronismen, die mich besonders abtörnen, nein, unnatürliche, kaputte Dialoge generell können mir, wie ich schon öfter festgehalten habe, gehörig die Petersilie verhageln, in Filmen und Serien noch mehr als in Belletristik. Deswegen scheue ich deutsche Produktionen so sehr: Die meisten Autor(inn)en pfeifen auf auch nur halbswegs natürlich klingende gesprochene Sprache.« (Das fetzt nicht wirklich)

Nächstentags las ich beim deutschesten aller wichtigen wichtigsten aller deutschen Nachrichtenmedien einen Bericht über einen (von Bernie Sanders!) gerade noch verhinderten Faustkampf zwischen dem US-Senator Markwayne Mullin und dem Gewerkschaftschef Sean O’Brien. Darin verhagelte mir dieser übersetzte Dialogkracher, der so ähnlich wohl schon Zehntausende Male in oder vor Kneipen stattgefunden hat, gehörig die Petersilie:

Spiegel Online: US-Senator droht Gewerkschaftschef Prügel an

Statt einfach die originalen Äußerungen eins zu eins zu übersetzen, hätte man bei Spiegel Online lieber DeepL oder eine andere Übersetzungssoftware bemüßigen sollen. Prüft es nach, die maschinellen Übersetzungen sind um ein Vielfaches eleganter (zum Originaldialog hier).

Markwayne Mullin hört übrigens auf den mark merkwayne merkwürdigen Namen Markwayne, weil er zwei kinderlos gebliebene Onkel Mark und Wayne hat, zu deren Ehren Markwaynes Eltern ihre Vornamen komponiert haben (Quelle). Ob es eine elterliche Debatte gab, Markwayne Markwayne oder Waynemark zu nennen? Wayne interessiert’s

Das eine ? und das (die) mysteriöse(n) Landgericht(e)


In SPIEGEL-eigener Sache: »Über unsere Rammstein-Berichterstattung«, 25.07.2023

Der Spiegel ist nicht in der Lage, präzise anzugeben, wie viele Landgerichte es hierzulande gibt? Oder ändert sich die Zahl in solcher Frequenz, dass es nicht möglich ist? Gibt es wohl Fade-in-fade-out-Gerichte, die ähnlich der Black Lodge in Twin Peaks nach übernatürlichen Gesetzen erscheinen und verschwinden? Oder, weil das dann doch zu sehr herbeigesponnen ist, hält sich ein (oder mehrere) Landgericht(e) für was Besseres und erhebt sich eigenmächtig zum Oberlandesgericht, was dann – mal schneller, mal langsamer – superinstanzlich wieder ›kassiert‹ wird? Ganz ehrlich: Mir wurscht.

Im Übrigen mag es beim Spiegel Usus sein, solche Sachen in der Rubrik »SPIEGEL Backstage« zu veröffentlichen. Dass das im Falle Rammstein nicht einer gewissen Pikanz entbehrt,  n u n  j a … (Credits für diese Beobachtung an Philip Saß.) Im Übrigeren gehört der Band meiner Meinung nach das Handwerk gelegt. Mögen die Gerichte weise urteilen.

Die armen Dummen, dummen Armen

Aus dem SPIEGEL 4/1972 zum Zusammenhang von elterlichem „Bildungsniveau“, i.e. Vermögen, und dem „Intelligenzgrad“ von Kindern:

„Die Fernseh-Dauer wird außerdem bestimmt vom Intelligenzgrad des Kindes und dem Bildungsniveau seiner Eltern. [Bildungswissenschaftler Georg] Schottmayer belehrt: »Eine kleine Gruppe der oberen Schichten und oberen Mittelschichten verharrt heute noch in einer ablehnenden Haltung gegenüber dem Fernsehen und weigert sich, ein Gerät zu kaufen.« Nach [dem Soziologen James] Halloran läuft der Empfänger »häufiger in Familien der Arbeiterklasse als in Familien, die der Mittelklasse angehören«. […] »Je dümmer der Schüler, um so länger sein Fernsehen«, resümieren Stückrath und [sein Kollege Fritz] Schottmayer, und Halloran bestätigt: »je begabter das Kind, um so weniger wird es fernsehen; das heißt: Der Begabtere erreicht den Sättigungspunkt früher.«“

Debattenjournalismus über E-Roller

Debattenjournalismus: »Davor, die Person vorschnell als gleichgültiges, rücksichtsloses, egoistisches Arschloch vorzuverurteilen, kann, darf und muss gemahnt und gewarnt werden! Bestimmt wollte sie nur an dieser abschüssigen Stelle den Verkehr etwas bremsen und beruhigen und regulieren. Und das ist doch eigentlich nichts Schlechtes. Hingegen wer meint, auch mitten in der Mitte des Wegs bzw. gar auf der vollen Wegbreite fahren oder gehen zu dürfen oder zu müssen, der ist der tatsächliche Gleichgolt, Rücksichts-Loser und Ergoman(n)e. Das wussten schon die alten Römer, wenn sie einen Ostrazismus abhielten.«

»Der Spiegel« erzählt aus einem »Bunte«-Interview mit Markus Söder

spiegel.de, 11.05.2021

»Noch harmloser kann Wahlkampf kaum daherkommen.« Belanglose Söder-Antworten aus einem »Bunte«-Interview kolportieren (z.B. entgegnet er auf eine grunddumme »Bunte«-Frage, von einer »Männerfreundschaft« zu Robert Habeck zu sprechen, sei dann doch »stark übertrieben«) – noch dümmer kann »Der Spiegel« kaum daherkommen.

Naja, in der Vergangenheit hat er schon oft bewiesen, dass er doch kann.