Scooter über die Gegenwart

Scooter veröffentlichen am 23.10. mit dem annualkritischen Titel »FCK 2020« den Track zur »Stunde«. Wahrscheinlich geht’s ihnen wie den Sportfreunden Stiller mit »’54, ’74, ’90, 2006«¹ und sie müssen das Lied in zwei Jahren als »FCK 2022« und in vier Jahren als »FCK 2024« jeweils aktualisiert releasen.

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¹ Weil die Schlechtfußballtruppe DFB-Herrenauswahl 2006 trotz sportfreundischem Unterstützungsgejohle nicht WM-Gewinner geworden war, schmiss die Band den Song 2010 als »’54, ’74, ’90, 2010« erneut auf den Markt, um den Fans nochmal ein paar deutsche Euro aus der Tasche zu ziehen; bei der Herren-Fußball-EM 2008 hatte sie den Song als – rhythmisch kaum glaublich – »’72, ’80, ’96, 2008« aufgeführt. 2014, als endlich alle ihre Ruhe hatten vor den sogenannten Sportfreunden, die auf Teilnahme lieber verzichteten, konnte der WM-Triumph den DFBlern dann endlich gelingen.

Der längste Tag

Gestern war bekanntlich (?) der längste Tag des Jahres. Die Heavy Metal-Band Iron Maiden hat auf ihrem Album »A Matter of Life and Death« – in Fachkreisen (?) auch AMOLAD akronymisiert –, auf dem sie endloses abwechslungsloses Gedudel in niemals endenden Liedern mit Prog Metal verwechselt, einen Song namens »The Longest Day«. Darin geht es aber nicht etwa um den längsten Tag des Jahres und es ist auch keine selbstironische Referenz auf die quasi-infiniten Stücke der Platte. Sondern:

»Mit The Longest Day lieferten Iron Maiden einen weiteren Song mit geschichtlichem Hintergrund. Die Operation Overlord der Amerikaner im Juni 1944 und der damit einhergehende Sturm auf die Omaha Beach werden hier thematisiert.« (Wikipedier)

»The Longest Day« heißt die Nummer, weil der erste Tag dieser Operation, der D-Day, in Fachkreisen (?) auch »der längste Tag« genannt wird. Statt aber auch nur ansatzweise die Nazis zu thematisieren, gibt der Text ausschließlich die subjektiven Eindrücke der GIs wieder, die gegen wer-weiß-wen kämpfen könnten und wir müssen Schmarrn hören wie »Valhalla waits, valkyries rise and fall / The warrior tombs, lie open for us all« oder »Drowning men no chance for a warrior’s fate / A choking death enter hell’s gate«. Naja. So, jetzt wisst ihr’s!

Arnold Schönberg: »Moses und Aron«

Dass Arnold Schönberg eine seiner Opern Moses und Aron nannte statt Moses und Aaron, soll, wie zu hören ist, darin begründet sein, dass der Titel mit dem einaigen »Aron« aus zwölf Buchstaben besteht, was wiederum der verwendeten Zwölftontechnik korrespondiert oder immerhin mit ihr in numerischem Zusammenhang steht. Warum Schönberg für diesen Effekt nicht einfach auf den doppelt beaten »Aaron« und dafür den biblisch kurzen »Mose« zurückgriff, es lässt ihn prima facie schon leicht wie ein Depperl dastehen. Aber iwo!, secunda facie spintisiert ist es doch erst das fehlende »a« Aarons, das es uns Zwölfe schlagen lässt. Ausgewieft wie sonst, der Aarnold!

Johann Rosenmüller, Barockkomponist und mutmaßlicher Knabenvergewaltiger

BR Klassik spielt im sonntäglichen »Tafel-Confect« am Mittag Musik des Componirers Komponisten Johann Rosenmüller (1619–1684). Der Moderator informiert einleitend, bevor Rosenmüller die Stelle des angesehenen Leipziger Thomaskantors hätte einnehmen können, hätte er sich nach Italien »abgesetzt«, denn es waren »unappetitliche Gerüchte« aufgetaucht: Rosenmüller hätte mutmaßlich »mit mehr als 20 Chorknaben das sodomitische Knabenschänden getrieben«. Der Moderator weiter: »Zurück ließ er entrüstete Eltern, verstörte Kinder, eine machtlose Obrigkeit«. Vergewaltigte Knaben im Jahre 2019 des Herrn noch als »verstört« zu bezeichnen, was für eine schamlose Beschönigung. Und die arme Obrigkeit, die, so steht zu vermuten, froh gewesen sein dürfte, dass Rosenmüller mit seiner Flucht größere klerikale Unannehmlichkeiten von Leipzig ferngehalten hat, als »machtlos« zu adeln, te absolvo!

Nach dem Stück faselt der Moderator noch, es sei kaum glaublich oder wie, dass ein Kinderschänder solch schöne Musik hervorgebracht habe. Aber mei, was soll’s, wir ergötzen uns zum Mittagessen freilich dennoch daran, wollen aber natürlich nicht unterlassen, auf die »unappetitlichen« Vorgänge hinzuweisen! Schließlich haben wir im Internetz wie im Feuilleton der FAZ/SZ von den ungustiösen Liederlichkeiten um #metoo gelesen.

Meine Güte, was für eine widerliche und verlogene Ekelveranstaltung die sich als solche verkaufende Hochkultur bisweilen ist, es ist zum Cotzen. Als wäre die fortwährend bemüht verhüllte, integrale Kotigkeit der Kultur etwas Neues. Schönen Sonn- bzw. Tag des Herrn!