Blue Velvet. Überflüssige Blicke

Am 7. Oktober 2019 veröffentlichte ich hier eine Inhaltsangabe des Films »Blue Velvet – Verbotene Blicke«. Ohne den Film zuvor gesehen zu haben, expliziert nur auf Grundlage des Filmtitels.

Am 6. August 2025 schritt ich zur Tat und überprüfte, ob die Realität meinem Text standhielt. Und was soll ich sagen: Ich hätte den Film gar nicht zu schauen brauchen.

Jedes Wort meiner Inhaltsangabe stimmt. Weder passiert mehr, noch weniger. Ab jetzt schau ich nix mehr, ich les’ mir nur noch die Titel durch!

Wolfgang M. Schmitt kann dann einpacken. Wo er behauptet, statt nur zu schauen, sehe er, da lese ich nur noch (Filmtitel).

D I E  G O O N I E S !

So vor zwei, drei Jahren rewatchte ich mal einen Klassiker meiner Kindheit: The Goonies (1985). Wie gern habe ich den als Kind im Nachmittagsprogramm gekuckt! Wie gruselig fand ich den! Was habe ich mich vor dem Verschlag der kriminellen Fratellis gefürchtet, und freilich insbesondere vor Sloth! Und was habe ich mich jedesmal gefreut, wenn Sloth am Ende mit dem Messer im Segel des Piratenschiffs nach unten glitt!

»Und, wie war der Rewatch? Voll cool, bist voll nostalgisch geworden, oder?« Überhaupt nicht. Im Gegenteil: Schrecklich genervt war ich ziemlich bald. Denn die Kinder sagen eigentlich keine ihrer Äußerungen, SIE SCHREIEN SIE ALLE GRUNDSÄTZLICH HERAUS. IN DEM GANZEN FILM WERDEN 90 % ALLER DIALOGZEILEN AUS KINDERMÜNDERN GEPLÄRRT, DAS HÄLT JA NIEMAND AUS! DIESE HELDISCHEN NORMALOKIDS KÖNNEN ECHT KEINEN EINZIGEN SATZ NORMAL SAGEN! Jemand sollte ein Stummfilmremake machen.

Das traurige Zitat

»[…] wobei sein Text allerdings vom Sprecher James Earl Jones nachsynchronisiert wurde. In den wenigen Szenen, in denen Darth Vader ohne Maske zu sehen ist, ersetzte man ihn durch den Schauspieler Sebastian Shaw. […]

In den Fechtszenen gegen Mark Hamill trat [Darth-Vader-Darsteller David] Prowse ebenfalls nicht persönlich an, da er im Schwertkampf keinerlei Erfahrung hatte. Dort wurde er stattdessen durch den Profi-Fechter Bob Anderson gedoubelt.« (Wikipedia)

Ein wenig erinnert mich diese Verwendung von David Prowse als Darth-Vader-›Darsteller‹ an das Pornomagazin »Big’uns« von Al Bundy aus der schäbigen, misogynen Serie Married… With Children (Eine schrecklich nette Familie), dessen Slogan Al Bundy jovial jodelt: »Nur Titten, garantiert keine Gesichter!«

Das einleitende Zitat dieses Beitrags beginnt übrigens mit: »In der Star-Wars-Trilogie (1977–1983) verkörpert [David] Prowse die Figur des Darth Vader«. Richtig müsste es allerdings heißen: »In der Star-Wars-Trilogie (1977–1983) trug David Prowse das Kostüm der Figur Darth Vader am Leibe durch die Gegend«.

Fliehe diesen Film 2: Bloß nicht rein

Escape Room: Tournament of Champions (dt.: Escape Room 2: No Way Out), 2021, R: Adam Robitel

Kein Wort mehr werde ich über diesen Film verlieren, als ich in meiner Besprechung des ersten Teils geschrieben habe: Fliehe diesen Film. Denn anderes gibt es dazu nicht zu sagen.

Hätten mir als Produzenten die Autor*innen Will Honley, Maria Melnik, Daniel Tuch und Oren Uziel ihr Drehbuch nach der Geschichte von Christine Lavaf und Fritz Böhm vorgelegt, hätte ich nur gefragt: »Sagt mal, habt ihr gesoffen?«, und sie wütend weggeschickt. Die beiden Überlebenden des ersten Teils sollen also nach New York zum Sitz des Escape-Room-Unternehmens fahren, um Stunk zu machen wegen ihrer Widerfahrnisse, nur um dann von einem Lockvogel nach irrsinniger fußläufiger Verfolgungsjagd in eine U-Bahn gelockt zu werden, die sich als Escape Room entpuppt. Und im U-Bahn-Waggon befindet sich niemand weiteres als fünf andere Gewinner*innen von vorherigen tödlichen Escape-Room-Runden (die U-Bahnstation vorm Einsteigen war voller Menschen), um zu kucken, wer von diesen »Champions« die*der wahre Champion*esse ist. HALLO, sagt mal, GEHT’S NOCH?

Mehr als eine halbe Frauenfußballmannschaft an Autor*innen kann sich nichts Besseres als das ausdenken? Über den Rest des Films schreibe ich wirklich nix, weil der noch weniger der Rede wert ist. Hätten wir den Film nicht bei einem abonnierten Streamingdienst gekuckt, sondern z. B. bei Amazon ›geliehen‹, ich wäre ziemlich angefressen gewesen tbh.

Fliehe diesen Film

Escape Room, 2019, R: Adam Robitel.

Sollte eins das Problem haben: »Oh je, immerzu schaue ich nur Super-Filme, es ist mir so fad!«, könnte sie*er mit diesem Netflix-Flick resetten. Dessen Erfinder Bragi F. Schut hatte die sagenhaft brillante Idee, einen Film zum Thema »populärer werdendes Freizeitvergnügen Escape Room« zu machen, in dem, oh boy, der Escape Room sich recht schnell als tödlich herausstellt. Und irgendwann, vorhersehbar wie nix, klar wird, dass die transsektional diverse Gruppe der gemeinsam Teilnehmenden keineswegs zufällig ausgewählt wurde, sondern nach einem ganz bestimmten Kriterium. Maria Melnik hat sich dann mit Bragi F. Schut hingesetzt und ein Drehbuch mit schablonenartigen Witz-Figuren geschrieben, die von schlechten Schauspieler*innen, dirigiert von Adam Robitel, zusammengekaspert wurden. Alles wirkt wie von Pfanner-Eistee und 1,5-l-PET-Energy-Drink saufenden Adoleszierenden mit transparentem PC-Gehäuse erdacht und inszeniert, die du mit Unterbodenbeleuchtung an der Wohnzimmer-Fernseh-Einrichtung und rennfahrersitzartigen Gamer-Stühlen zur Begeisterung bringst. Glücklicherweise nimmt einer*einem dieser Schmarren nur 1h 39m Lebenszeit; ins recht hektische, unpassend angeflanscht wirkende Ende wurde aber auf die letzten sechs Minuten noch so viel hineingerümpelt, dass akneversehrte 13jährige Wichser den herbeigecliffhangerten zweiten Teil kaum erwarten können. Die 6,4/10 bei IMDb und die 48/100 bei Metacritic sind jeweils viel zu viel, von mir gibt’s 2,5/1000. Und dass der Film bei geschätzten $ 9 000 000 Produktionskosten weltweit $ 155 712 070 eingespielt hat (wie kann IMDb das so präzise angeben?! Und warum dann nicht Cent-genau?!?!), also wirklich …

Rate Zitate

Ohne zu googlen oder chatgpten : Aus dem Wikipediaeintrag zu welchem Film stammen die folgenden beiden wunderhübschen Zitate?

»Roger Ebert schrieb in der Chicago Sun-Times, dass der Film derart dämlich sei, dass der Zuschauer auf die Leinwand starre und seinen Augen nicht glauben könne. Es gebe keine lustige Szene.« Hahaha.

»Im Vorfeld der Produktion streute Arnold Schwarzenegger in Hollywood absichtlich das Gerücht, die Hauptrolle in dem Film übernehmen zu wollen, nur um seinen damaligen Rivalen Stallone zu ködern. In Wirklichkeit hielt er das Drehbuch für ›äußerst schlecht‹.« Hahahaha!

Kann Karate: Cobra Kai

Was mich davon abgehalten hatte, Cobra Kai (2018–, YouTube, mittlerweile Netflix) zu kucken? Zunächst good old-fashioned ein Vorurteil. »Cobra Kai?! Das ist doch bestimmt so eine deutsche Müllserie über einen Typen namens Cobra Kai. Zur Hölle damit, das sehe ich mir nicht an!«, hatte ich bei Netflixens Aufdrängversuchen gedacht. Dass ich die Karate-Kid-Filme, die die Serie fortschreibt, gesehen hatte, war viel zu lange zurückgelegen, als dass ich mich erinnert hätte, dass Cobra Kai der Name des ›bösen‹ Dojos ist, in dem der ›Bösewicht‹ Johnny Lawrence vom Imperator-Palpatine-artigen, vietnamgeschädigten Sensei John Kreese miese Tricks und Gnadenlosigkeit à la dark side of the force beigebracht bekommt. Um dann vom ›Gutewicht‹ Daniel LaRusso – der vom popkulturell allseits bekannten, Master-Yoda-artigen Mr. Miyagi nach Art der light side of the force in die Karatekunst eingewiesen wird – im Finale des Regionalturniers per (verbotenem?) Kranich-Kick umgehauen zu werden.

Vor kurzem brauchte ich irgendeinen Netflixquatsch, der mich immer mal wieder eine halbe Stunde schlicht unterhielt. Und dann klickte ich auf Cobra Kai. Die erste Folge hätte mich dann beinahe für immer von der Serie ferngehalten. Denn sie vermittelt den Eindruck, als sei die Serie platter 80er-in-Reminiszenzen-schwelg-Kack, der sich ähnlich ostentativ wenig ernst nimmt wie der unerträgliche Comedy-Horror-Mist Ash vs. Evil Dead (2015–2018, Amazon). Als hätten die Produzent*innen versucht, aUgEnzWiNkErNd ein 80er-Karateserien-Revival zu drehen. Was ich fürchterlich anstrengend fand. Beim Nostalgieschmarren Stranger Things etwa hatte ich mich durch die erste Staffel gequält, um zumindest zu erfahren, wie sie ausgeht. Was ich schon wieder vergessen habe. Nach S2E1 hatte ich endgültig kein Bock mehr, weil »Dig-Dug-Spielautomat« hier, »Coca Cola« da – solchen »früher war alles besser«-Schmonzes ver-, ja: verachte ich, weil’s früher nicht besser war und uns diese ewige Leier um eine bessere Zukunft bringt.

Dann beging ich den ›Fehler‹, mir doch die zweite Cobra-Kai-Folge anzusehen, und die zog mich in den Bann. Es macht unglaublich viel Spaß zu sehen, wie Karate-Kid-›Bösewicht‹ Johnny Lawrence in seiner Lebensmitte (live long and prosper!) bei seinem Versuch gezeigt wird, seinen vom »Strike first! Strike hard! No mercy!«-Dojo Cobra Kai verkorksten Lebensweg zu begradigen und alte Fehler zu beheben, zuvörderst bei sich selbst. Er belebt das alte Dojo wieder und will daraus eine zeitgemäße Karateschule ohne die alte Unmoral machen. Ebenso spaßig ist es, wie Karate-Kid-Protagonist Daniel LaRusso als erfolgsverwöhnter Luxusautohaus-Besitzer in North Hollywood mit Vorzeigefamilie und -leben als einer gezeigt wird, der sich immer auf der guten Seite wähnt und sich daher gar nicht vorstellen kann, auch mal daneben zu liegen. Was er aufgrund seines mitunterigen Tunnelblicks nicht selten tut.

Bisweilen ist die Serie gleichwohl etwas grob. Johnny Lawrence bietet sich dar als in den Achtzigern hängengebliebener Vorgestriger. Was eleganter zu zeigen wäre als dergestalt, dass er das Internet niemals benutzt hat, URLs buchstabiert als »… full stop c, o, m« und seinen neu angeschafften Gebrauchtlaptop zurückbringt, weil »the battery went out«, ohne je das Ladekabel angeschlossen zu haben. Meine Güte, das ist selbst für Comedy zu albern. Bei seinem ersten Schüler, Miguel Diaz, gelang den Macher*innen das besser: Johnny findet zeitgenössische Musik freilich kacke und lässt nur Heavy Metal von vor 30 Jahren gelten. Miguel hört, weil er davon nie gehört hat, mal rein, und äußert Johnny seine Begeisterung, er sei sofort »hooked« gewesen und »went fully down the rabbit hole«, wie junge Leute heute so reden.

Ein bisserl zäh wird’s dann schon, alle bislang fünf Staffeln zu kucken, bspw. weil Figuren sich kaum entwickeln, die Handlung mitunter arg schablonenhaft ist und die Hauptdarsteller William Zabka (Johnny Lawrence) und Ralph Macchio (Daniel LaRusso) alles andere als feinziseliert nuanciert schauspielern spielen. Dass weder der eine noch der andere nach der Karate-Kid-Reihe Nennenswertes geschaffen hätte, nimmt nicht wunder. Der Handlungsverlauf überrascht an kaum einer Stelle, pflichtbewusst werden die Konflikte nach Schema F abgearbeitet.

Aber Spaß macht’s trotzdem. Verklagt mich doch, ich kann Karate. Wer bis hierher alles durchgelesen hat, macht jetzt 200 Liegestütze.

Filmkriwick, Quatsch: Filmkritik: John Wick

Mein Lieblings-Actionfilm in der Kindheit/Jugend war Terminator 2: Judgment Day. Das war für mich perfekte Action, keine Sekunde langweilte ich mich dabei. Entsprechend oft schob ich die Videokassette mit dem auf RTL aufgenommenen Film in den Rekorder. Etwa die Szene, in der der T-800 (Arnold Schwarzenegger) im 1. Stock des Cyberdyne-Systems-Hauptquartier steht und die vorgefahrene Polizeischar unten auf dem Parkplatz unschädlich macht, indem er nur die Fahrzeuge zerstört und aber niemanden verletzt oder gar tötet – oft spielte ich das und anderes zuhause nach.

Solche Actionfilme konnte ich, wo nicht im Free TV, bei einem Onkel sehen, der den Pay-TV-Sender Premiere (später: Sky) hatte. Während meine Eltern bei der Verwandtschaft in der Stube saßen und sie über irgendwelchen Erwachsenenkram laberten, saßen wir Kinder im Wohnzimmer und zogen uns Premiere-Videos mit Actionreißern wie The Punisher (1989) rein. Sowas wie die FSK-Beschränkung hielt den Onkel glücklicherweise nicht vom Screenen ab.

2010 bereitete mir dann The Expendables einige Freude, The Expendables 2 (2012) und The Expendables 3 (2014) ebenfalls. Waren das doch schöne Reminiszenzen an das Actionkino der 80er und 90er. Lustig fand ich, dass darin lauter mehr oder weniger abgehalfterte, jedenfalls outdated Actionstars vorkamen – und der noch normal ›im Geschäft‹ gewesene Jason Statham.

Vor kurzem sah ich dann John Wick (2014) mit Keanu Reeves als Auftragskiller im Ruhestand. Und huiuiui, das ist ja atemlose Action! Die obendrein inszenatorisch ohne Anbiederung an die 80er/90er auskommt, sondern Actionkino der 10erjahre ist. Wenngleich die Story ähnlich dünn und bisweilen unglaubwürdig ist wie die der 30 Jahre alten Vorfahren.

Auftragskiller im Ruhestand, in einem Actionfilm? Das bleibt freilich nicht lange so. Und John Wicks Wiedereinstieg in seinen abgelegten Beruf – der freilich nicht ohne Grund geschieht – wird standesgemäß inszeniert: Wick geht mit einem Vorschlaghammer in den Keller seiner Austragsvilla und haut vor lauter Wut den Betonboden auf. Als er dann unter allerhand Betonbrocken mit bloßen Händen anfängt zu graben, wird klar: John Wick lässt nicht bloß seinen Frust aus am Boden. Er will etwas freilegen. Und es ist keine große Überraschung, dass es sich um eine große Kiste mit allerhand Waffen und Munition handelt. John Wick hatte seine Auftragskiller-Vergangenheit begraben. Wohlwissend, dass sie nicht kompostierbar ist.

Spaß macht sie mir auch nach 25 Jahren noch, solche Actionblödigkeit: Wofür andere drei Personen, einen Presslufthammer und anderes Gerät bräuchten, das erledigt John Wick mit maximal einem Hammer. Es sollte niemanden wundern, wenn ich sage, dass im Film dann fast jeder Schuss/Schlag/Genickbruchgriff Wicks ›sitzt‹ und er mit Leichtigkeit Killerkommandos von ein bis drei Dutzend Mann ausschaltet.

Mittlerweile stört mich aber durchaus die bündige Ästhetisierung solcher Gewaltorgien mit allen optischen und akustischen Mitteln wie etwa technoider Industrial-Rock-Musik für den richtigen Tötungsrhythmus. So wird aus dem Ganzen eine harmonische Masse, in dem das Töten und Getötetwerden bloße Zutaten sind wie irgendeine Zutat einer Tafel Schokolade und deren Kinetik dem Tanz sehr viel mehr gleicht als dem unästhetisch-viehischen Streben nach Überleben.

Botschaft/Message hat John Wick überhaupt keine. Hier zeigt die Actionfilmindustrie, wozu sie in der Lage ist. Die anderen Teile kucke ich mir auch noch an.