Beinharte Enttäuschung

In der dritten Klasse verbrachten wir eine Schulwoche in einem Schullandheim. Abends gab es im Aufenthaltsraum freilich Disco. Der Klassenlehrer hatte dazu die passende Musik dabei – und was waren wir aus dem Häuschen, weil er auch Torfrocks »Beinhart« dabei hatte! Das Titellied zum Kinofilm Werner – Beinhart! versetzte uns regelrecht in Extase. Den Film, ich hatte ihn auf VHS aufgenommen, konnte ich teilweise auswendig, Zitate daraus zoteten wir bei jeder (un)passenden Gelegenheit.

Weil wir das Lied nicht nur im Schullandheim, sondern auch zuhause hören wollten, baten wir den Lehrer, es uns auf Kassette zu überspielen. Er schlug ein Schneeballsystem vor: Er überspielte es mir (oder lieh mir seinen Tonträger aus, um das zu tun), und ich sollte es dann weiter überspielen, so dass am Ende alle Interessierten ihre Kopie hatten.

Wie groß war aber die Enttäuschung, als ich zuhause feststellte, dass es gar nicht die Originalversion des Liedes war, sondern ein bloßer Abklatsch. Gesungen wurde nicht: »Beinhart wie ein Rocker! …«, sondern: »Reinhard wie ein [weiß ich nicht mehr]«. In der Schullandheimdisco fiel uns das vor lauter Partystimmung gar nicht auf. Was es mit der Version auf sich hat, weiß ich bis heute nicht: Hatten Torfrock das Lied selbst zu verantworten? Wollte da jemand unter Umgehung des Copyrights auf der Werner-Welle surfen und mit abgewandeltem Text abkassieren? Ich werde es nie erfahren, weil es mit zeitgenössischen Suchalgorithmen unmöglich ist, bei entsprechender Suchanfrage nicht entweder Torfrocks »Beinhart« oder etwas völlig Irrelevantes zu finden.

Anmerkung: Dass es sich beim Überspielen von Musik auf MC um music piracy handelt und es deswegen verboten ist, war nicht nur – logo – uns SuS unklar, sondern scheint’s auch dem Herrn Lehrer. Einsperren kann ihn niemand mehr, denn erstens ist das alles 30 Jahre her, zweitens doch relativ läppisch, und drittens ist er schon tot.